Alsdorf bei Aachen. Mein erstes großes Saisonhighlight 2024 stand am 05. Mai an: Die Europameisterschaft im Mitteldistanz-Duathlon in Alsdorf (bei Aachen). Ich hatte mich in den Wochen und Monaten vorher intensiv auf das Rennen vorbereitet, Stunden über Stunden trainiert, Laufkilometer gesammelt und einiges an Zeit auf dem Sattel verbracht. Meine intensivste Trainingszeit waren zwei Wochen Ende März, die ich im Trainingslager auf Mallorca verbracht habe und in denen ich knapp 30 Stunden pro Woche trainiert hatte.
Die letzte Generalprobe vor der EM war der (Sprintdistanz-) Duathlon in Echterdingen vier Tage vorher. Hier waren die Distanzen 5 km Laufen, dann 20 km auf dem Rad (inkl. Knapp 300 Höhenmetern) und 2,5 km Laufen. Und mein persönliches Ziel des Rennens: alles nochmal üben, vor allem die Wechsel! Denn da kann man schließlich einiges falsch machen. Aber alles lief glatt, ich hatte ein super Rennen mit viel Spaß und konnte den Sieg für mich entscheiden. Und vor allem: Mit viel Selbstbewusstsein in Richtung EM blicken.
Die Strecke: 10/60/10 km
Die Strecke des Powermans Alsdorf kannte ich bereits aus dem letzten Jahr. Die Laufstrecke hatte es etwas in sich: 4 Runden à 2,5 km durch die Alsdorfer Innenstadt und um den Annapark. Die erste Hälfte ging immer minimal bergab und die zweite Hälfte wieder etwas hoch. Circa ein Kilometer jeder Runde führte über Schotter. Nach vier Runden ging es auf die 60 km lange Radstrecke. Die führte über breite, komplett gesperrte Bundesstraßen mit Asphalt erster Sahne, kein Schlagloch weit und breit und perfekt, um richtig Gas zu geben. Es waren insgesamt 3 Runden à 20 km zu fahren, pro Runde gab es drei 180° Kurven, in denen man das Tempo natürlich etwas drosseln musste. Auf den ersten Blick sieht die Radstrecke topfeben aus, und so fährt sie sich auch; aber ich hatte mich gewundert, dass man dann doch immerhin auf fast 350 Höhenmeter kommt. Nach der Radstrecke waren dann noch einmal die selben 4 Laufrunden (= 10 km) wie im ersten Lauf zu absolvieren.
Am Morgen des Rennens klingelte der Wecker recht früh. Schon um 5 Uhr! Denn Start war um 8 Uhr und bis man mal gefrühstückt hat, alles zur Wechselzone gebracht hat, eingecheckt hat und alles gerichtet hat, vergeht schon einiges an Zeit: Zum Beispiel klickt man die Radschuhe schon in die Pedale ein und fixiert sie mit Gummibändern, um dann im Rennen schnelle Wechsel machen zu können. Statt erst mühsam die Radschuhe anzuziehen, rennt man also schon barfuß bzw. auf Socken aus der Wechselzone, um dann nach der Markierungslinie auf das Rad zu hüpfen, Geschwindigkeit aufzubauen und erst dann während der Fahrt in die Radschuhe zu schlüpfen. Das muss vor dem Start alles vorbereitet werden!
Bei den Wechseln sind mir in der Vergangenheit schon ein paar Missgeschicke passiert, die wertvolle Zeit kosten: letztes Jahr habe ich zum Beispiel bei einem Duathlon dummerweise vergessen, vorher den Klettverschluss der Triathlonschuhe zu öffnen, sodass ich dann beim Fahren Schwierigkeiten hatte, reinzuschlüpfen. Oder ich hatte einmal bei einem Triathlon beinahe vergessen, in der Wechselzone nach dem Schwimmen mein Startnummern-Band umzulegen, das man ab der Radstrecke verpflichtend tragen muss. Aber das hätte mir in Alsdorf immerhin nicht passieren können, schließlich trägt man beim Duathlon von Anfang an das Startnummernband. Und außerdem hatte ich ja wenige Tage zuvor beim Duathlon in Echterdingen alle Abläufe noch einmal üben können und alles lief glatt.
Guter Dinge und motiviert ging ich dann also am Renn-Morgen zur Wechselzone, um meine Sachen einzuchecken. Bei den Radstellplätzen der Elite-Frauen angekommen, waren schon einige Athletinnen dort und ich sah lauter nervöse Gesichter. Alle legten präzise ihre Sachen genau so hin, dass sie bloß keine kostbare Zeit in der Wechselzone liegen lassen würden. Jeder prüfte, ob so alles optimal vorbereitet wäre und ich merkte die angespannte Stimmung. Aber eigentlich warteten wir alle doch schon seit Wochen auf den «großen Tag», an dem wir endlich die Leistung auspacken könnten, auf die wir uns so lange vorbereitet hatten. Ich liebe Raceday!
Schneller Start beim ersten Lauf
Mit der verheißungsvollen Startnummer 2 ging ich in Richtung Start. Jeder aus dem Elitefeld wurde persönlich an die Startlinie mit Namen aufgerufen, was den ganzen Start noch feierlicher und offizieller machte. Ich wurde als zweifache Langdistanz-Weltmeisterin aufgerufen – und ich fragte mich, wie das Rennen wohl heute enden würde.
Als der Startschuss fiel, liefen die ersten paar hundert Meter des Rennens ab, wie ich es mir vorgestellt hatte: sehr schnell. Das ist fast immer so. Mir war klar, dass ich das Tempo der ersten hundert Meter nicht für 10 km laufen würde, jedenfalls nicht zwei Mal 10 km und erst recht nicht, wenn dazwischen noch anderthalb Stunden Radfahren liegen. Aber ich wusste auch, dass einige starke Läuferinnen dabei waren, für die das ein realistisches Tempo war, das dort vorgelegt wurde. Ich hielt mich also lieber an meinen eigenen Plan und der war, nicht schneller als 3:40 min/km im ersten Lauf anzugehen. Die ersten beiden Kilometer waren etwas schneller als dieser Plan und trotzdem ging schon während der ersten von vier Laufrunden eine signifikante Lücke nach vorne auf die Führenden auf. Soll ich da mitgehen? Soll ich mein eigenes Tempo laufen?
Ich blieb dabei, mein für mich optimales Tempo zu laufen und «die da vorne» ihr Ding machen zu lassen. Nach jeder Runde kam man am Start/Ziel/Wechelzonen-Bereich vorbei und dort konnte man auch kurz den Moderator hören. Ich bekam also mit, wie während des ersten Laufs meine Lücke auf die Führenden kommentiert wurde. Ich war da an fünfter Position, hörte aber den Moderator wie er so etwas kommentierte wie: «das ist alles noch im Rahmen von Merles Zeiten auf dem Rad». Und ja, ich bin mir ja um meine Kraft auf dem Rad bewusst und das bestärkte mich, so weiterzulaufen wie ich angefangen hatte.
Ich hielt meine Position an fünfter Stelle bis ich nach knapp 10 km und 36:15 min (ca. 3:43 min/km) in die erste Wechselzone einlief. Ich hörte den Kommentator, wie er ansagte, dass ich knapp eine Minute Rückstand auf die schnellste Läufern, Olivia Keiser aus der Schweiz, hatte. Auf Platz 4 (Rachel Brown aus Großbritannien) hatte ich weniger als eine halbe Minute Rückstand.
Der Wechsel lief gut und wie ich hinterher in den Ergebnissen nachlesen konnte, war das auch die zweitschnellste Wechselzeit, die ich da gemacht habe.
60 Kilometer Aufholjagd auf dem Rad
Als ich auf das Rad hüpfte, hatte ich richtig Motivation. Meine Beine fühlten sich gut an und ich wusste: «jetzt zählt’s». Also bin ich mit hoher Geschwindigkeit los und es brauchte nicht lang, bis ich die Athletinnnen, die vorher schneller gelaufen waren, in Sicht hatte. Ich arbeite mich heran und hatte nach wenigen Minuten schon eine Position gutgefahren und fuhr nun also als Vierte im Feld weiter. Kurz danach überholte ich die Nächste und war dann schon Dritte. Klar, das hat mir natürlich einen Schub an Motivation gegeben und ich hatte gehofft, dass ich während der 60 km den Vorsprung weiter ausbauen kann. Das mag ich so an Duathlon oder Triathlon. Es bleibt immer spannend – der schnellste Schwimmer (oder Läufer) ist nicht immer der Sieger und es passiert so viel, je nach dem wer wo seine Stärken ausspielt.
Ich fuhr weiter, immer ein Blick auf die Watt-Anzeige auf meinem Radcomputer und mit dem Kopf nach unten, um möglichst aerodynamisch zu sein. Noch im Laufe der ersten Runde konnte ich mich dann auf Position zwei vorarbeiten. Ich fragte mich, ob ich diese Position wohl verteidigen könnte, denn mir war klar, dass die anderen natürlich im zweiten Lauf auch wieder den Turbo zünden könnten.
So ging die Radstrecke weiter. Kopf runter, Gas geben. An den Wendepunkten konnte ich Einsicht ins Feld bekommen, da mir da ja die anderen entgegen kamen und ich so die ungefähren Abstände einschätzen konnte. Irgendwann kamen dann auch «leider» die Elite-Männer auf den Radkurs dazu. Das erschwerte mir manchmal etwas das Renngeschehen. Denn wenn man überholt wird, ist man selbst für die Einhaltung des verpflichtenden 12-Meter-Windschatten-Abstandes verantwortlich, sobald das Vorderrad des Überholenden vor dem eigenen ist. Mir ist Fair Play wichtig. Und eine (5 Minuten!) Zeitstrafe wegen Windschatten-Fahren wollte ich natürlich auch auf gar keinen Fall. Also hielt ich mich penibel an den Abstand, auch wenn das bedeutete: Sobald ich überholt wurde, trat ich deutlich weniger Watt, als ich es vor dem Überholvorgang tat. Zwar hat man gemäß Regelwerk von World Triathlon 25 Sekunden Zeit, um aus der sogenannten Drafting Zone zu kommen und sich überholen zu lassen, aber ich wollte mich auf jeden Fall so verhalten, wie ich es von den anderen auch erwarte: nämlich nicht verbotenerweise im Windschatten zu fahren. Dass das manche leider nicht so eng sehen, ist ein anderes Kapitel.
Immer wieder musste ich mich während des Radfahrens auch daran erinnern, meine Verpflegung zu mir zu nehmen. In meiner Flasche in meinem Rahmendreieck hatte ich einiges an Kohlenhydraten (und Salz) dabei, das ich unbedingt vor dem Laufen leer getrunken haben wollte. In meinem Tank vorne am Cockpit waren noch 750 ml Wasser. Das habe ich nicht alles leer getrunken, aber ich hatte das Gefühl, die Menge war so ok. Denn glücklicherweise war es nicht so furchtbar heiß am Renntag.
Die Führende, Melanie Maurer aus der Schweiz, konnte ich nicht einholen auf der Radstrecke. Also lief ich an Position zwei in die zweite Wechselzone ein. Für die 60 km auf dem Rad habe ich 1:30 Std. gebraucht, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 39,7 km/h entspricht. Das war schneller als im letzten Jahr. Nächstes Mal dann die 40 km/h? 😉
Der etwas andere Zweite Lauf
Der zweite Wechsel war okay, ich kam für meinen Geschmack etwas zu langsam im meine Laufschuhe rein, da hätte ich vielleicht noch zwei drei Sekündchen sparen können. Ich lief also als gesamt Zweite im Feld aus der zweiten Wechselzone raus – und hatte relevant viel Abstand nach vorne (mehr als eine Minute), dass mir klar war, es hätte bei Maurer schon einiges schief gehen müssen, dass ich sie noch bekäme.
Den genauen Abstand nach hinten kannte ich allerdings nicht. Und vor allem: es war recht undurchsichtig, da während unseres zweiten Laufs noch sehr viele andere Sportler auf der Laufstrecke waren, die bei der Sprintdistanz angetreten waren und später gestartet waren. Daher konnte ich auch nicht wirklich einsehen, wer aus dem EM-Elitefeld wann nach mir kommt. Aber das hat mich nicht groß aus meinem Rhythmus gebracht. Ungefähr konnte ich ja einschätzen, wie es steht, da ich auf der Radstrecke die anderen Athletinnen und ihren Abstand gesehen hatte. Das gab mir das genug Sicherheit, dass ich die Situation einschätzen, dass meine Position relativ fest war. Und so bin ich dann auch gelaufen: auf Sicherheit. Und das machte den Lauf ganz anders als sonst. Vor allem ganz anders als bei reinen Laufveranstaltungen, wo es ja immer irgendwie um die reine Zeit bzw. Geschwindigkeit geht, die man da läuft. Um Bestzeiten und Pace ging es mir aber im zweiten Lauf aber nicht. Ich wollte nichts mehr riskieren und dabei wenn möglich den Lauf auch noch genießen. Denn nun ging es darum, mir zu sichern, was ich mir in den letzten Wochen hart erarbeitet habe und worauf ich lange trainiert habe. So lief ich den zweiten Lauf dann ohne groß auf die Uhr zu blicken, circa 3:57 min/km.
Nach vier weiteren Laufrunden kam ich dann endlich auf die Zielgerade und lief nach 38:28 min für den zweiten Lauf und insgesamt 2:47:59 Stunden ins Ziel – als neue Vize-Europameisterin im Mitteldistanz-Duathlon.
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