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Jürgen Ehret: Ich war beim Chicago Marathon dabei

Verfasst von Jürgen Ehret
Laufsport, Laufveranstaltungen, Marathon
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Jürgen Ehret stolzer Marathon Finisher in Chicago
Bild: Ehret, privat

Chicago. Jürgen Ehret berichtet über seine Vorbereitung und Teilnahme bei der Age Group Weltmeisterschaft im Marathon in Chicago. Ein denkwürdiger Tag, dieser 8. Oktober 2023, ein neuer Weltrekord wurde durch Kelvin Kiptum (24, KEN) erzielt. Ehret befand sich da noch auf der Strecke bei Kilometer 30, als die Zuschauer schon begeistert „new world record“ riefen.

Ehret: „Zum Weltrekordlauf von Kelvin Kiptum hat man während des Laufs nicht viel mitbekommen. Es gab einige Zuschauer, die den Läufern zugerufen haben, „new world record“.

Kelvin Kiptum WR2023 Chicago
Der neue Weltrekordler: Kelvin Kiptum, 24, KEN

Im Rahmen des 45. Chicago Marathon, fand auch die Abbott Marathon Age Group World Championships, statt. Abbott als Organisator der sechs grossen Marathon, Berlin, London, Chicago, Boston, New York und Tokio. Für die WM musste man sich im Jahr 2022, mit Top Leistungen, qualifizieren. Es waren ca. 2800 Teilnehmer weltweit qualifiziert. Ich hatte mich seit Mitte Juli ausschließlich auf dieses Ereignis vorbereitet und extra auf die DM in Köln, eine Woche vorher verzichtet. Diesmal probierte ich eine andere Vorbereitung, als bisher. Nach meinem Muskelfaserriss im April, versuchte ich mein Verletzungsrisiko zu minimieren und habe alle 10km Rennen, schnelle kurze Intervalleinheiten und auch Tempoläufe weg gelassen. Ich hatte die Trainingspläne von Patrick Sang, dem Trainer von Eliud Kipchoge, analysiert und auf meine Leistung umgeschrieben. Mich hat es fasziniert , daß Kipchoge schon seit Jahren so tolle Zeiten laufen kann. Ein Grund dafür ist, dass er nie verletzt war und dadurch immer sein hohes Niveau halten kann ohne zurück geworfen zu werden, wie ich im April. Kipchoge kann natürlich auch sehr schnelle 10km Rennen laufen, aber wenn er mit seiner Marathonvorbereitung beginnt, dann läuft er überwiegend im Marathon Renntempo. Die kurzen Intervalle, höchstens 20 Sekunden schneller und die längeren Intervalle höchstens 10 sek schneller. Tempoläufe werden komplett gemieden. Dafür werden die langen Läufe, erheblich schneller gelaufen, im Bereich 20 bis 30 sek langsamer als MRT. Sonst werden noch viele Einheiten im MRT gelaufen. Damit vermeidet er die Doppelbelastung von sehr schnellen, fordernden Intervalle oder schnelle Tempoläufe, wie z.B. 10km Rennen und lange, anstrengende Läufe bis 40km in einer Laufwoche. Er konzentriert sich immer wieder auf das MRT und die Ausdauer. Das hat mir gefallen, so dass ich das Training erstmal adaptiert habe. Natürlich ein Experiment, von dem ich nicht wusste, ob es so klappt. Aber ich konnte meinen selbst erstellten Plan gut umsetzen und gut trainieren.

Ein weiteres Experiment war mein Körpergewicht. Ich hatte mir zum Ziel gesetzt von 64 kg auf 59,9 kg runter zu kommen. Das ein oder andere Training musste ich dann wegen fehlender Kraft vorzeitig abbrechen. Aber ich wusste ja warum. Tatsächlich habe ich es dann 5 Wochen vor dem Rennen geschafft. Mein niedrigstes Gewicht als Erwachsener. War eine harte Zeit.

Eine Woche später habe ich noch etwas neues getestet. Ich habe 2 Wochen lang in Livigno, Italien ein Höhentrainingslager absolviert. Die Zeit reicht normal nicht aus, um gravierende Veränderungen zu erzielen. Trotzdem wollte ich wissen, wie es sich auf mein Training auswirkt, wenn ich in 2100 Meter wohne und in 1800 Meter trainiere. Ich hatte eine Woche davor, extra all meine Blutwerte testen lassen und eine Woche nach dem Höhentrainingslager, unmittelbar vor Abflug nach Chicago, die gleichen Blutwerte noch einmal, um sie 1 zu 1 zu vergleichen.

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Finisher + WM Teilnehmermedaille

Schliesslich ging es nach Chicago, the Windy City, mit der Gewissheit gut trainiert zu sein. Windy City passt unbedingt. Wind geht immer, die Frage ist nur, wie stark. Die Tage davor war es ca. 14 Grad und sehr windig. Es herrschte schon ein besonderes Flair, weil man überall von dem Marathon las und hörte. Die Stadt war voller Läufer und Läuferinnen, auch gut erkennbar an dem grünen Shirt, dass man mit dem Startbeutel bekommen hatte. Am Sonntag hieß es um 3:30 Uhr aufstehen und erst mal meine Morgenübungen zu machen. Um 4:45 dann Fahrt zum Security Check für den Einlass zum Abbott Zelt, dass um 5:30, öffnete. Dort konnte man noch frühstücken, sich umziehen usw. Ich habe mich auf Grund der für mich viel zu kalten 7 Grad kurzerhand entschlossen, mein kurzes Shirt, gegen ein langes zu tauschen. Plus Mütze und Handschuhe. Die meisten liefen kurz. Einige sogar mit freiem Oberkörper. Ich weiss nicht wie das geht, während ich mir einen abzittere. Um 6:45 wurden wir dann von ganz hinten nach ganz vorne in den Block A geführt.

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Vorne die Startnummer, hinten die „Age Group“. Ehret lief gut eingepackt in lang, da er die Kälte nicht mag.

Um 7:31 war der Start und los ging es. Ich lief mein Tempo, dass ich ja vorher oft geübt habe und wollte es bei km1 überprüfen. Das war leider nicht möglich, da das GPS zwischen den Hochhäusern nicht funktionierte. Das ging bis km5. Danach hat es sich bis km20 stabilisiert, bevor es wieder los ging. Es war bei diesem Rennen sehr schwer, zu sagen, was ich denn für eine Pace laufe. Am Anfang zu schnell, bedeutet bei einem MT hinten raus, einzubrechen. Alle 5km war eine Uhr, sodass ich an Hand der Zeit meine Pace bestimmen konnte. Bei HM bin ich mit 1:27:23 Stunden durch, was auf eine Endzeit von ca. 2:55, deutete. Ich behielt meinen Laufrhythmus bei und lief konstante Zeiten. 3km vor dem Ende lief ich auf eine Gruppe auf und sah darin 3 Läufer meiner AK 60-64. Die wollte ich auf alle Fälle überholen. Zuerst dachte ich dahinter bleiben und beim Finish an ihnen vorbei, damit sie nicht mehr kontern konnten, weil meine Kraft auch schon am Ende war. Dann habe ich mich doch noch einmal voll fokussiert, beschleunigt und vorbei. Mir war bewusst, das Tempo jetzt zu halten um nicht gekontert zu werden, was auch bis Ziel gelang. Ich habe dann sogar noch einen M60 er, überholt.

Meine Zeit war dann 2:56:15 und ich erreichte den 11. Platz bei der WM. Ich war nicht ganz zufrieden, da mein Minimalziel 2:55 war und damit hoffte ich dann unter die Top10 zu kommen. Aber mein Rennverlauf war sehr gut und ich hatte 100%, gegeben.

Zum Rennen noch. Später waren es um die 11Grad. Lang zu laufen, habe ich nie bereut. Die Leute waren der Wahnsinn. Vom ersten Meter bis zum letzten über die kompletten 42,2 km, Zuschauer am der Strecke, die jeden frenetisch anfeuern. Ich habe wegen meinem Shirt, zig Mal gehört, Germany, Deutschland, alles gut, Oktoberfest, German beer usw. Am Anfang habe ich dann immer noch zurück gewunken, musste dann aber aufhören, weil es mich zu sehr ablenkte und ich mich nicht fokussieren konnte. Die Chicagoer lieben ihren Marathon und die Läufer aus aller Welt.

Meine Verpflegung während dem Rennen war leider etwas konfus, da es nicht erlaubt war, Eigenverpflegung abzugeben. So war ich auf das Gatorade vom Veranstalter angewiesen, was aber nicht den Effekt für mich hatte.

Ergebnis. 11. Platz von 115 TN in meiner AK, bei der Abbott WM, WM MT Gesamt TN 2738, ich Gesamt 441. Platz

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Fast wie ein Uhrwerk, die 5 km Splitzeiten auf Ehrets zweiter Hälfte. Und die letzten 2,2 km in 9:01!

12. Platz von 1142 TN (in der AK 60), beim Chicago Marathon. Sieger M60: Brian Murphy CAN, 2:45:09. 5 Läufer unter 2:50
Das sind mehr TN als beim auch am 8.10. stattgefundenen 3-Länder Marathon in Lindau/Bregenz mit gesamt 1000.
Gesamt Teilnehmer in Chicago 48258 TN, ich Gesamt 2280. Platz.

Fazit: Die Vorbereitung war für mich, wegen der vielen Neuerungen, unglaublich spannend. Ich habe sehr viel gelernt und meine Schlüsse gezogen, so dass ich in Zukunft weiss, wo ich noch was verbessern kann.

So geht ein sehr erfolgreiches Jahr zu Ende. Europameister im Marathon in Madeira, Vize Europameister mit Team Germany, Vize DM im HM, Vize DM im 50km Ultra und jetzt 11. bei der WM.

Nachtrag. Die Stimmung in Chicago war die Tage davor schon toll. Am Renntag ist jeder richtig mitgegangen. Und auch besonders. Am nächsten Tag ist der sogenannte Medal Monday. Da hat jeder Finisher seine Medaille den ganzen Tag umhängen und so viele Leute gratulieren dann ehrlich und aufrichtig. Es war am Samstag noch ein 5k Lauf, den viele gelaufen sind. Dort gab es dann auch eine Mütze im Chicago Design. Damit waren auch unzählige in der Stadt unterwegs. Die Leute sind einfach sehr stolz darauf, irgendwie mitgemacht zu haben. Auch die unzähligen Volunteers sind mit ihren T-Shirts unterwegs. Jeder möchte dabei gewesen sein. Das war schon eine sehr bewegende Atmosphäre.“

Jürgen Ehret

Hier noch ein interessantes YouTube-Video von Jokab Heeß über das Training von Kelvin Kiptum.

Rice W75 WR Marathon
Jeanny Rice, W75 beim Chicago Marathon in neuer WR Zeit.
Hitchins Jenny W60 WR
Weltrekord bei den W60 Frauen: 2:49! (HM Split 1:23:39, auch US Rekord)

Nachtrag 2: Zwei weitere Weltrekorde wurden im gleichen Lauf von US-Masters Läuferinnen erzielt: Jenny Hitchins (Jg. 1963, W60, 2:49:43), sie läuft wöchentlich 75 Meilen/120 km und Jeanny Rice W75 (3:34:32).

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